Musik ist total wichtig in
ihrem Leben. Deshalb will sie unbedingt in diesem Bereich arbeiten. Einen Chor
leiten, vielleicht sogar mehrere. Andere Menschen anleiten, so dass etwas
Schönes entsteht. Das ist ihr Traum.
Also arbeitet sie darauf hin.
Schließlich kann sie gut singen und inzwischen beherrscht sie auch das
Dirigieren. Irgendwann ist es so weit, sie tritt ihre erste Stelle an. Nur
leider ist sie total unstrukturiert. Im normalen Choralltag kommen alle damit
einigermaßen klar. Aber vor den Aufführungen ist es kaum zu ertragen. Da rennt
sie wie wild über die Bühne, sucht abwechselnd ihre Stimmgabel und ihre Brille,
legt das Mikrophon so hin, dass allen das Trommelfell reißt und macht auch
sonst jeden verrückt, der nicht mindestens fünf Meter Abstand halten kann.
Deswegen wird die Stimmung im
Chor immer gereizter. Eigentlich bemüht sie sich um ein gutes Miteinander. Aber
wenn sie aufgeregt ist, dann rutscht ihr schon mal eine falsche Bemerkung ‘raus
oder eine unfaire Zurechtweisung.
Deshalb ist es nun passiert.
Ihr Vertrag wird nicht verlängert. Die Chormitglieder haben sich für eine
Neubesetzung ausgesprochen. Mit klarer Mehrheit.
Das trifft sie hart. Sie kann
nicht verstehen, was vorgefallen ist. Traut sich aber auch nicht, nachzufragen.
Stattdessen sucht sie sich eine neue Stelle. Aber obwohl sie sich wirklich
bemüht, sie scheitert erneut. Dieselbe Entwicklung, dasselbe Ergebnis. Doch diesmal
sagt ihr jemand aus dem Chor, woran es liegt. „Für eine Chorleiterin reicht es
nicht, musikbegeistert zu sein. Man muss auch das Drumherum können.
Organisieren. Mit Menschen umgehen. Sich vor Aufführungen im Griff haben.“
In diesem Moment erkennt sie:
Was sie da gesagt bekommt, ist wahr. Für sie bricht eine Welt zusammen. Ihre
Welt. Der Traum, mit Musik etwas Schönes zu erreichen.
Ihr Misserfolg belastet sie
noch lange. Es fällt ihr schwer, zu akzeptieren, dass sie keine gute
Chorleiterin ist. Und auch nie eine sein wird. Beruflich orientiert sie sich in
eine andere Richtung. Aber dass ihr Lebenstraum zerplatzt ist, das macht ihr echt
zu schaffen.
Was ihr hilft, mit dieser
Enttäuschung zurechtzukommen, ist ihr Glaube. Das Vertrauen, dass Gott sie so
annimmt, wie sie ist. Mit dem, was sie kann. Und auch mit dem, was sie nicht
kann. Dieses Vertrauen hilft ihr, sich mit der Zeit auch selbst ein bisschen
besser annehmen zu können. Ein wenig besser mit ihren Schwächen umzugehen.
Etwas positiver auf sich selbst zu gucken. Und schließlich einen neuen Weg für
ihr Leben zu finden.
Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth
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